Rund acht Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Harninkontinenz. Es gibt verschiedene Formen der Harninkontinenz, die unterschiedliche Behandlungen erfordern. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Belastungs- (auch Stressinkontinenz genannt) und Dranginkontinenz.
Wenn der ungewollte Urinverlust unter körperlicher Belastung oder Anstrengung auftritt, wird er als Stressinkontinenz oder auch als Belastungsinkontinenz bezeichnet. Davon sind meistens Frauen betroffen. Bei Grad I tritt Harnverlust nur bei Husten, Niesen, Pressen und schwerem Heben auf. Von Grad II spricht man bei Harnverlust beim Gehen, Treppensteigen und Aufstehen. Von einer Harninkontinenz III. Grades bei einem Urinverlust, der schon in Ruhe auftritt.
Es gibt verschiedene Ursachen für die Belastungsinkontinenz. Dazu gehören Senkungszustände der Blase, der Gebärmutter und der Scheidenwände nach einer Geburt oder bei einer Bindegewebsschwäche. Äußere Faktoren, die eine Belastungsinkontinenz begünstigen sind schwere körperliche Arbeit, chronischer Husten oder Übergewicht. Typisch für die Belastungsinkontinenz ist ein unwillkürlicher Urinverlust bei körperlicher Anstrengung. Ursache ist eine Schwächung des Verschlussmechanismus am Blasenauslass. Bei Frauen wird dies häufig durch eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur verursacht – ausgelöst durch Schwangerschaft, Geburt oder der hormonellen Umstellung in den Wechseljahren.
Zu Beginn steht zunächst ein ausführliches Gespräch mit dem behandelnden Arzt. Hier ist es wichtig, herauszufinden, ob der Patient vorher Operationen hatte, wie stark und wann genau die Beschwerden auftreten. Bei der körperlichen Untersuchung werden die Organe des Harntrakts untersucht. Eine Harnanalyse kann zeigen, ob zum Beispiel eine Entzündung vorliegt. Eine Ultraschalluntersuchung kann auch schon erste Hinweise auf Veränderungen geben. Gegebenenfalls kommen spezielle Röntgenaufnahmen der Blase und ableitenden Harnwege, eine Blasenspiegelung (Zystoskopie) oder eine Blasendruckmessung („Urodynamik“) zum Einsatz. Diese Verfahren können meist ambulant durchgeführt werden. In der Regel sind diese Untersuchungen für die Patienten wenig belastend und weitgehend schmerzfrei – sie ermöglichen dem erfahrenen Urologen, die Ursache der Harninkontinenz zu diagnostizieren.
Es gibt einige konservative Maßnahmen, die bei einer Belastungsinkontinenz helfen. Bei Menschen mit Übergewicht kann eine Gewichtsabnahme schon Erfolge bringen. Ein weiteres nicht-operatives Verfahren ist das konsequente Beckenbodentraining, das zunächst unter Anleitung von Physiotherapeuten erfolgen sollte. Beim Beckenbodentraining werden die Muskulatur und Bänder des Halteapparates gekräftigt und die persönliche Wahrnehmung des Beckenbodens im Alltag verbessert. Außerdem kann die Muskulatur mit einer so genannten Elektrotherapie mit Reizstrom stimuliert und trainiert werden. Zudem gibt es Pessareinlagen, das sind ringförmige oder eckige Hilfsmittel, die in die Scheide eingeführt werden.
Im Marien Hospital Witten wird, wenn es irgendwie möglich ist, minimal-invasiv operiert.
Spannungsfreie Vaginalschlingen (TVT / TOT)
Die spannungsfreien Bänder werden über einen vaginalen Zugang durch die Scheide unter die mittlere Harnröhre platziert und dienen als Ersatz für eine defekte Bandstruktur. Das gewährleistet eine ausreichende Stabilisierung des verletzten oder zerstörten Gewebes.
Unterspritzungen der Harnröhre und Blase
Wenn eine Harninkontinenz Folge von Defekten der Harnröhrenschließmuskeln ist, kann durch eine Unterspritzung der Harnröhrenschleimhaut mit gelartigen Substanzen ein Polster in der Nähe des Schließmuskels gebildet werden, das den Harnabgang bei Belastungen reduzieren kann. Minimal-invasive Methoden sind jedoch nicht immer dafür geeignet das Problem zu beheben. Es gibt Erkrankungen, bei denen eine klassische offene Operation die beste Therapie bietet.
Kolposuspension nach Burch
In manchen Fällen kann eine Anhebung des Blasenhalses über einen queren Unterbauchschnitt zum Erfolg führen. Dazu werden mehrere Nähte im Bereich des Gewebes gesetzt, das die Harnröhre umgibt. Somit wird der Blasenhals durch Zug angehoben.
Scheidenplastik
Bei Senkung von Blase und / oder Darm kann das geschwächte Gewebe von der Scheide aus durch Raffung stabilisiert werden. Nach Öffnung der vorderen / hinteren Scheidenwand wird die Blase beziehungsweise der Darm abgeschoben und durch spezielle Nähte versenkt und an seiner ursprünglichen Position gehalten.
In der Frauenklinik wird seit Anfang 2018 ein neues unkompliziertes, minimal-invasives und schonendes Therapieverfahren zur Behandlung von Belastungsinkontinenz durchgeführt. Dieses Verfahrens ist so effektiv, dass der Verschlussmechanismus der Blase nach der Behandlung wieder einwandfrei funktioniert. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte periurethrale Injektion. Dabei wird mittels eines Applikators an 4 Stellen ein spezieller Kunststoff unter die Urethra, also die Harnröhre, gespritzt. Die Harnblase wird dadurch angehoben. Die Patientin ist unmittelbar danach sofort wieder kontinent. Die Behandlung kann ambulant unter Lokalanästhesie durchgeführt werden und dauert nur ca. 15 Minuten.
Der Füllstoff baut sich nicht ab und muss nicht alle sechs Monate nachgespritzt werden. Dieses Implantat wächst nicht in das Gewebe ein, da es neben und nicht in die Harnröhre eingebracht wird. Es beeinträchtigt deshalb auch nicht das empfindliche Gewebe der Harnröhre. Bei Bedarf lässt sich das Implantat problemlos entfernen. Die neue minimal-invasive Methode sorgt für neue Lebensqualität. Bereits nach rund sechs Wochen kann wieder jegliche dynamische Freizeitgestaltung betrieben werden.
Die Vorteile auf einen Blick:
1. es ist sehr schonend, denn es wird minimal-invasiv während einer Lokalanästhesie vorgenommen.
2. kann auch bei Frauen mit Kinderwunsch sowie bei Frauen in hohem Alter angewendet werden.
3. wächst nicht in das Gewebe ein, da es neben und nicht in die Harnröhre eingebracht wird. Es beeinträchtigt deshalb auch nicht das empfindliche Gewebe der Harnröhre.
4. kann bei Bedarf durch einen kleinen lokalen Eingriff ohne Probleme wieder entfernt werden.